Science Fiction #17 – realistische Spekulation über Möglichkeiten: Vorgriff auf das lichte Morgen

Heute habe ich einen schon lange gesuchten Band in die Finger bekommen. Dieses Buch war und ist seit langem vergriffen und wenn ein Exemplar auf den Markt kommt, so werden teilweise Preise dafür verlangt, die jegliches private Wollen wohl übersteigt. Aber, dieses Mal hat es geklappt und auch der Preis war mehr als verträglich – wohl Glück gehabt …


Angela und Karlheinz Steinmüller - Vorgriff auf das Lichte Morgen
Angela und Karlheinz Steinmüller – Vorgriff auf das Lichte Morgen

Angela und Karlheinz Steinmüller
Vorgriff auf das Lichte Morgen
Studien zur DDR-Science-Fiction
mit einer Bibliographie von Hans-Peter Neumann
EDFC, Passau (1995), Taschenbuch, 26 Seiten
ISBN 3924443858

Insbesondere die Kapitel 9.2 bis 9.5,  Sekundärliteratur zur DDR-SF und zur SF allgemein, Rezensionen zur frühen DDR-SF (Auswahl), sonstige Literatur und in der DDR verfasste Dissertationen über Science Fiction, sind für mich natürlich von besonderem Interesse (Das gibt eine Menge Arbeit an Erfassen und Verarbeiten).

In der DDR nahm die “wissenschaftlich-phantastische” oder “utopische” Literatur, anknüpfend an Traditionslinien von Laßwitz bis Dominik, eine relativ eigenständige Entwicklung. Schon allein das Wort “Science Fiction” war lange Zeit verpönt, denn SF war ja eine US-amerikanische, also antihumanistische und imperialistische Sumpfblüte auf dem Feld der Literatur. Utopie aber war für die frühe DDR-SF Legitimation und uneinlösbarer Anspruch zugleich. Die Bezeichung verwies auf eine lange, durchweg positiv gewertete Traditionslinie utopischen Denkens, die nach der offiziellen Lesart unweigerlich zur kommunistischen Perspektive führen mußte.

Erstaunlicherweise entwarfen die Autoren der frühen DDR-SF in den fünfziger und sechziger Jahren fast durchgängig ein einheitliches Zukunftsbild. Hätte man eine Person aus einem Roman gegriffen und sie kurzerhand in einen anderen Roman versetzt, so hätte sie sich mit geringer Mühe zurechtgefunden, so sehr glichen sich die Zukunftswelten: Der Kommunismus war weltweit auf dem Vormarsch oder hatte bereits gesiegt, Verbrechen und Geld, Hunger und Krankheiten waren abgeschafft, man lebte im Wohlstand und arbeitete fleißig zum Wohle der Gemeinschaft — ganz nach dem Prinzip “Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen”. Eine ähnlich harmonische Welt gab es im Westen wohl nur an Bord des Raumschiffes Enterprise…
Leicht vereinfacht läßt sich die Geschichte der DDR-SF in vier Entwicklungsetappen unterteilen:
In den fünfziger Jahren prägten die Nachbarschaft zum “Produktions- oder Betriebsroman” und der Kalte Krieg die Bücher.
In den sechziger Jahren wurden — nach dem Sputnik und Juri Gagarin — Raumfahrtabenteuer zu einem zentralen Thema.
In den siebziger Jahren gewann die DDR-SF zunehmend an Breite und Tiefe, die Autoren schlugen vor allem in Erzählungen kritische und satirische Töne an.
In den achtziger Jahren zerbrach das einheitliche utopische Zukunftsbild vollends, eine Zukunft in den Farben der DDR oder des Realsozialismus war kaum mehr vorstellbar.

Ein Essay zu Zensur und Selbstzensur in der DDR-SF sowie eine umfassende Bibliographie der DDR-SF, zusammengestellt von Hans-Peter Neumann, ergänzen den mit zahlreichen historisch-thematischen Tabellen und Illustrationen versehenen Band. …

Inhalt

  1. Einleitung
  2. Aufstieg und Ende der DDR-SF
    2.1. Ausgangspunkte
    2.2. Der utopische Betriebsroman
    2.3. Aufbruch in den Weltraum
    2.4. Über das Raumfahrtabenteuer hinaus
    2.5. Abkehr vom utopischen Roman
    2.6. Utopische Literatur, halbwegs etabliert
    2.7. Postutopische Vielfalt
    2.8. Komplexe Entwürfe
    2.9. Coda 1990: Die sich überholenden Raumschiffe
    2.10. Was bleibt

  3. Unterernährte Utopie und wirkliche Zukunft: kulturpolitische Funktionsbestimmungen
    3.1. Im doppelten Auftrag: Wissenschaftlichkeit!
    3.2. Von den lichten Höhen der Zukunft aus: das Perspektivbewußtsein
    3.3. Wider die antihumane Science Fiction
    3.4. Dystopien — nein danke!
    3.5. Utopische Literatur kontra Utopie
    3.6. Die wirkliche Zukunft beschreiben!

  4. Perspektivbewußtsein in Aktion: das Geschichtsbild
    4.1. Nahphantastik, Fernphantastik
    4.2. Vom sieghaften Sozialismus
    4.3. Wo schillernd fault die alte Zeit
    4.4. Der Außerirdische, unser Bruder, unser Vorbild
    4.5. Die herrschaftslose Gesellschaft
    4.6. Abschied vom westdeutschen Separatstaat

  5. Kommunismus = Sowjetmacht + Atomkraft: das Technikbild
    5.1. Der Atomkrieg findet nicht statt — oder auf fremden Planeten
    5.2. Pillen gegen Strahlenkrankheit
    5.3. Automation, zuerst ohne Kybernetik
    5.4. Die Menschheit verlässt ihre Wiege
    5.5. Im Atomobil voran!
    5.6. Der Mensch — Umgestalter der Erde

  6. Der Alltag im Kommunismus: Einblicke in das Menschen- und Gesellschaftsbild?
    6.1. Schöne neue Welt mit Mikrowelle
    6.2. Im Raumschiff der Freizeitkellner
    6.3. Die Zukunft gehört dem Arbeiter und der Frau
    6.4. Selbstlos vom Reißbrett: der Neue Mensch
    6.5. Keine Träne trübt das Typische
    6.6. Trotz Tabus: Kritik

  7. Die befohlene Zukunft: utopische Literatur und (Selbst-) Zensur
    7.1. Utopie und Zensur
    7.2. “Das geht nicht”: Zensur als objektivierter Zwang
    7.3. “Und das soll unsere Zukunft sein?”: die Killerfrage
    7.4. “Sich in Übereinstimmung bringen”: die Selbstzensur
    7.5. “Denken in bedenklichen Stellen”: Zensur als Beckmesserei

  8. Fazit: Warten auf den 8. Januar 2000 9. Anhang I

9.1. Die Top 25 der DDR-SF (Umfrage 1989)
9.2. Sekundärliteratur zur DDR-SF und zur SF allgemein
9.3. Rezensionen zur frühen DDR-SF (Auswahl)
9.4. Sonstige Literatur
9.5. In der DDR verfasste Dissertationen über Science Fiction
9.6. SF-Comics in der DDR (Auswahl)
9.7. SF-Filmproduktionen der DDR
9.8. Verzeichnis der Tabellen
9.9. Liste der Abbildungen

Danksagung

Anhang II: Bibliografie der DDR-SF von Hans-Peter Neumann

Antiquarisch gesichtet:  leider schon wieder vergriffen


siehe auch (Auszug):


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