
Nun ist es doch nicht der Tolstoy geworden, der zu erst abgearbeitet wird. Naja, er ist auch etwas umfangreicher als das jetzige Stück.
Über Inge Vielhauer(-Pfeiffer) habe ich nicht viel herausgefunden. 1920 in Heidelberg geboren, Doktor der Philiosophie und zumindest bis 1980 zwei größere Veröffentlichungen. “Das Leben des Zauberers Merlin” und “Bruder und Schwester. Untersuchungen und Betrachtungen zu einem Urmotiv zwischenmenschlicher Beziehung” aus dem Jahre 1979. Sieht mir ein bisschen dünn aus, aber momentan nicht zu ändern.
An letzteres schließt wohl ein Beitrag in “Inklings, Band 8” an. “Merlins Schwester. Betrachtungen zu einem keltischen Sagenmotiv“. Leider habe ich gerade diesen Band nicht in meiner Sammlung und muß mir erst den Beitrag organisieren. Das wird aber sicher, im Sinne meiner Betrachtungen zu Merlin, geschehen. Zu prüfen wäre, ob diese Arbeit auch zu Merlins Gesamtbild beitragen kann.
Das Buch selbst, hier in der 3. Auflage (zwei weitere: 4. Aufl. 1985 und 5. Auflage 1991 sind mir noch bekannt) wurde schon kurz in “Inkling, Band 19” besprochen. Dort reichte es für eine Seite launige Anmerkungen und für eine Kritik, die mir jetzt ein bisschen Kopfzerbrechen bereitet. “… Ein Nachtrag über das weitere Schicksal Merlins in Literatur und Film des 20. Jahrhunderts wäre nützlich gewesen. …” (Zitat, Inkling, Band 19, Seite 264).
In der vorliegenden 3. Auflage ist ein “Nachklang: Merlin in der neuern deutschen Dichtung” vorhanden. Der Autor wird nicht ausgewiesen und ich vermute der Artikel geht auch auf Frau Vielhauer zurück. Nachdem die Ausgabe 2000 als ein unveränderter Nachdruck angemerkt wird, löst diese Anmerkung und die Nicht-Erwähnung dieses Nachklanges die Frage aus: Nicht vorhanden oder nicht gelesen/gesehen”? Vielleicht komme ich ja noch dahinter.
Das Buch (als eine Art Flügelbroschur, welche mir für die Entstehungszeit eher rar vorkommt) selbst ist in vier sehr unterschiedliche Teile gegliedert.
- Heinrich Zimmer: Merlin
- Inge Vielhauer: Einleitung in die Vita Merlini
- Geoffrey von Monmouth: Vita Merlini – die deutsche Übersetzung von Inge Vielhauser
- Nachklang: Merlin in der neueren deutschen Dichtung
Dazu kommen vier Abbildungen mittelalterlicher Buchmalereien in schwarz/weiss und Anmerkungen zu den ersten drei Teilen.
Heinrich Zimmer zeigt mein Studienobjekt Merlin “… als Begründer und geistigen Führer der Tafelrunde und dieser erfährt (in dem Aufsatz) eine so schöne Gesamtdeutung …” (sinngemäß Seite 38, Anm.d.V.), dass die verschiedenen französischen Prosafortsetzungen sozusagen “Ad Akta” gelegt werden – sozusagen Prototyp. Die Abhandlung erschien erstmalig 1961 in “Abenteuer und Fahrten der Seele. Der König mit dem Leichnam und andere Mythen Märchen und Sagen aus keltischen und östlichen Kulturbereichen“, Heinrich Zimmer: Gesammelte Werke, Band 4, Rascher Verlag, Zürich/Stuttgart (1961)
Heinrich (Robert) Zimmer (* 6. Dezember 1890 in Greifswald; † 20. März 1943 in New Rochelle, New York – siehe Wikipedia) war Sohn des Indo- und Keltologen Heinrich Friedrich Zimmer (1851–1910) und selbst Indologe. Seit 2010 ist an der Universität Heidelberg ein Lehrstuhl nach im benannt.
Zimmer breitet, wie angedeutet, den Mythos Merlin in der französischen, festländischen, Verison vor uns aus. Der Titel “Merlin” als Alleinstellungsmerkmal ist meines Erachtens eher unglücklich gewählt, da (ich möchte “natürlich” sagen) die Artussage, speziell im Mittelteil, im Mittelpunkt steht. Die Betrachtungen Merlins als Hauptakteur bieten aber schon einen schönen Überblick über den Mythos Merlin. Aber …, naja, Schwamm drüber.
Im Beispiel der französischen Richtung jedenfalls tritt uns Merlin, entsprechend den Stilisierungen des 12. Jahrhunderts als Sohn eines dämonische Incubus und einer Jungfrau entgegen. Die Festlegung als unschudiges Feen- und Geisterkind, als übernatürlicher Mischling zweier Sphären deutet in die Richtung eines Jungfernsohnes wie Jesus, Perseus oder Indra (in der Inseldichtung zeichnet sich ein andres Bild).
Schon als kleines Kind wird er seherisch in der Legende um den Turmbau von König Vortigern und den darunter kämpfenden Drachen auffällig. Eine altwalisische Fürstenchronik aus dem 1. Drittel des 12. Jahrhunderts erzählt von dieser Begebenheit. Merlin wird nicht als Held gesehen, sondern als Magier, welcher statt Taten und Waffen, Zauber und Wissen mitbringt. Er bringt durch Zauberkraft die Eltern von Artus zusammen, wacht über dessen Jugend, schafft die Runde Tafel, zaubert Stonehenge von Irland nach Sailbury und wird Berater der Könige. Er “überschattet” mit Wissen und Zauber diese Könige.
Zimmer sieht Merlin, und auch Artus, auf zwei unterschiedlichen Ebenen wirken.
- auf einer chronikhaften-realen, geschichtlichen Ebene
- auf einer zeitlos mythischen Ebene
So wird die zeitliche Erscheinung Merlin und Artus zu einer unsterblichen Idee.
Die jetzt folgenden Ausführungen beziehen sich eher auf Artus und das Heldenbild. Die Darstellung der unzerbrechlichen Waffe als Sinnbild des heraufdämmernden Metallzeitalters im Gegesatz zum Steinkeil(-beil) ist interesant, bringt dem Merlinbild aber kaum etwas. Hier geht es in die christliche Deutung und auch die Darstellung des Waldes, der Prüfungen der Artusritter und die Abbildung von keltisch-britischen Entsprechungen zu den klassischen Heldensagen des Herakles, Odysseus und Theseus. Für mich eher verwaschen und unklar, vielleicht müsste ich mich auch noch mehr mit diesen klassischen Themen auseinandersetzten – ein andermal – vielleicht :).
Die Darstellung Merlins gewinnt aber zum Ende der Ausführungen wieder an Kraft, wenn der Autor das Ende von Merlin erläutert und darstellt. Hier erleidet Merlin keinen realen Tod. Die Begegnung mit Niniane (auch Viviane), die Weitergabe seines gesamten magischen Wissens an sie und selbst die wissentliche Auslieferung seiner Selbst in der Kenntnis des magischen, überhöhenden, Endes sind sehr überzeugend ausgearbeitet. Wir werden sehen, dass dieses Ende auch nur eines von mehreren in den verschiedenen Zweigen der Mythen um Merlin ist.
Natürlich spielt auch die Entstehungszeit der Arbeit in der Sprache eine Rolle und würde vermutlich heute etwas anders aussehen, aber als Modell der festländischen Ausprägung des Mythos ist die Arbeit schön zu verwenden. Ich habe sie als interessant, nicht zu schwierig und lehrreich empfunden.
So, für diesen Teil genug – es wird sonst zuviel. Die Aufnahmefähigkeit meinerseits und vermutlich auch eurerseits dürfte begrenzt sein – sage ich mal – auf ein nächstes Mal in Fortsetzung …
verwendete Literatur:
- Das Leben des Zauberers Merlin, Inge Vielhauer (Hrsg.), Castrum Perigrini, Amsterdam (1983)
- Inklings – Jahrbuch für Literatur und Ästhetik, Band 19, Fremde Welten in Texten und Bildern, Dieter Petzold (Hrsg.), Brendow, Moers (2001)
Bereits vorhandene Artikel zur Serie:
-
Tolkiens Gandalf und Merlin – Brüder, Cousins? – allgemeine Information
- Merlin. Ein Mythos und seine Aufarbeitung in der filmischen Populärkultur, Nadia Ghattas/Susanne Kroner, in: Inklings, Band 18 – Phantastik des Zukünftigen, Dieter Petzold (Hrsg.), Brendow, Moers (2000) – Rezension
- Merlin im Spiegel der Moderne, Karl Hepfer in: Inklings, Band 17 – Phantastische Kinderliteratur, Dieter Petzold (Hrsg.), Brendow, Moers (1999) – Rezension
- Nikolai Tolstoy: Auf der Suche nach Merlin – Mythos und geschichtliche Wahrheit – bibliographische Angaben
- Jetzt bin ich bei Merlin hängengeblieben … warum eigentlich? – allgemeine Information
2 thoughts on “Monmouth – Zimmer – Vielhauer. Drei auf den Spuren Merlins … – Teil 1/3”